Freitag, 12. August 2016

Rad am Ring - Bericht

Die Idee:

Bei Rad am Ring, einem Radrennen auf der legendären Formel 1 Grand Prix Strecke an den Start zu gehen hatten die Radbegeisterten im SV Eintracht Späningen, schon vor längerer Zeit mal ins Auge gefasst. Leider mussten wir damals abbrechen und haben das ganze ersteinmal auf Eis gelegt. Nach der Vätternrundfahrt 2015 kam dann die Idee erneut auf. Nur das Personal musste für ein Vier-Mann-Team noch leicht aufgestockt werden und irgendwie hatten wir es geschafft, Frank zu überreden. Die besondere Bedingung bei Rad am Ring ist, dass immer ein Mitglied des Teams auf dem Rundkurs unterwegs ist. Das Team muss innerhalb von 24 Stunden möglichst viele Runden schaffen. Also gingen wir als Vierer-Team an den Start. Andere wagten sich andere zu zweit, acht oder gar allein auf die Strecke.

Wer üblicherweise nur bis zu einer Höhe von 90 Meter über Normallnull (Dolchauer Berg) fährt, auf den wirkte die Strecke in der Hocheifel schon ein wenig Respekt einflößend. Auf einer Runde von 26 Kilometer galt es, 580 Höhenmeter zu überwinden. Auf Altmärkisch heißt das, dass der Dolchauer Berg (36 Höhenmeter Anstieg) etwa 16 Mal pro Runde, von Mehrin aus bezwungen werden musste, um die gleiche Höhe zu erreichen. Der Vergleich hinkt jedoch, da der Dolchauer Berg gerade mal 2,8 Prozent Steigung hat. Auf dem Nürburgring liegen diese Werte irgendwo zwischen 4 und 16 Prozent. Bergab geht es dort mindestens genauso hart her. Wer bei der Abfahrt durch die Fuchsröhre, bei über 90 km/h eine Kurve falsch ansteuert, kann schnell in der Leitplanke zum Stehen kommen.

Vorbereitungen:

Mit diesem Vorwissen reisten wir am Freitag an. Ab 16 Uhr wurden zwei Zugänge zu der berühmten Rennstrecke geöffnet, um die Teams auf den Ring zu lassen. Nach der Einrichtung auf unserer 3x20m Parzelle haben wir die Unterlagen abgeholt und sind auf der Messe herumgeschlendert. Und weil man überall Rennräder sah und viele Leute auf der Grand Prix Strecke (noch nicht auf dem ganzen Nürburgring) schon Runden drehten, machten auch wir uns startklar.



Nach 50 Metern meinte Basti, dass hinter uns Sebi (Sebastian Kienle) gerade eine Runde drehe. Und tatsächlich kurbelte er sichtlich verschwitzt, aber gemütlich an uns vorbei. Im lockeren Plausch meinte er, dass er gerade bei Einzelzeitfahren über die Nordschleife gestartet wäre und nun ausrollt. Für ein Fanfoto mit uns Späningern hielt der sympathische Profi sogar an. Es war ein schöner Auftakt zu unserem eigenen Wettkampf. (Sebi wurde übrigens Gesamt dritter mit einer zeit von ca. 34 Minuten auf seinem Zeitfahhrad. Unsere Schnellste Zeit über die gleiche Strecke betrugt übrigens 41 Minuten.)


Beim weiteren Einrollen auf dem Kurs konnten wir uns auch ein paar Abfahrten und Hügel näher ansehen. Dem ein oder anderen Späninger wurde dabei etwas mulmig, aber bis zum Start waren es ja noch gut 16 Stunden und ein kleiner Pfeffi könnte ja vielleicht helfen.


Eine Runde auf der Nordschleife:

Am Samstag stand ich pünktlich um 12:25 Uhr mit (wahrscheinlich) 1500 anderen 24-Stunden-Fahrern an der Startlinie. Wegen der großen Teilnehmermenge ging es durch das Fahrerlager nur sehr langsam voran. Auf den ersten neun Kilometern des großen Rings hat man hauptsächlich Abfahrten. Die wenigen Hügel erklimmt man mit dem Schwung, den man aus der Abfahrt gewinnt. In vielen Kurven war trotz der enormen Straßenbreite wegen der vielen Teilnehmer große Vorsicht geboten.


Spätestens ab Kilometer 10 wurde es dann allerdings schlagartig ruhiger. Man war im langen Anstieg angekommen. Bei permanenten fünf bis acht Prozent Anstieg war das Kurvenfahren bei maximal gefühlt 12 km/h kein Problem. Kurz vor Kilometer 14 sah man dann den Verpflegungspunkt an der höchsten Stelle der Runde, der Hohen Acht. 

Unglücklicherweise wird es ab diesem Punkt aber nochmal bis zu 14 Prozent steil und drückt den Tacho tief in den einstelligen Bereich. Nach der hohen Acht ging es endlich auch mal wieder hinunter, aber immer nur kurz und gleich wieder von einem Anstieg gefolgt. Nach etwa 21 Kilometern war man auf einer langen Gerade namens Döttinger Höhe angekommen. Wenn man hier keine Gruppe erwischte, hatte man einige Kilometer gegen den Wind zu arbeiten, aber ich hatte Glück. Und bei Kilometer 24 war man endlich wieder auf dem GP Kurs. Nach ein paar Kurven durchs Fahrerlager konnte man dann den nächsten aus seinem Team auf die Strecke schicken. Stefan war jetzt an der Reihe.

Nachbereitung:

Frank konnte ich ein wenig damit beruhigen, dass die Strecke (wenn man sie nur einmal fährt) gar nicht so schlimm ist. Schlimmeres ahnte ich zwar, wollte es aber nicht aussprechen. Ich hatte jetzt erst einmal ungefähr 3 Stunden Zeit zum Essen und Relaxen.
Stefan konnten wir derweil per Livetracking verfolgen, sofern die Telefonverbindung nicht abriss. Nach einer ordentlichen Portion Reis und Gemüse war Stefan auch schon wieder zurück. Sichtlich geschafft, weil er wohl niemanden an der Döttinger Höhe zum mitfahren gefunden hatte. Basti übernahm die Trinkflasche, in der der Transponder lag, und machte sich auf die Runde. Jetzt hatte ich noch knapp zwei Stunden und die wurden zunächst auf dem Liegestuhl gut genutzt. Nachdem auch Basti Pech mit dem Windschattenfahren hatte übergab er an Frank. Allmählich wurde ich auch wieder aktiver. Positionen checken, Stefan und Basti zum Essen nötigen, umziehen, Toilettengang, Stefan und Basti zum Essen nötigen und dann war auch Frank schon wieder da. Nach Vier Runden waren noch nichteinmal 4 Stunden vergangen.



Zweite Runde:

Für die erste Pause war die Länge noch okay, aber um sich ausreichend auszuruhen dennoch zu kurz. Ich wollte eine ordentliche Rundenzeit abliefern und machte nochmal Druck. An der Hohen Acht musste ich dann aber doch schon Gebrauch von meiner kleinsten Übersetzung machen. An der Döttinger Höhe hatte ich wieder Glück und traf jemanden von einem Düsseldorfer Verein, mit dem ich diesen Streckenteil schon in der ersten Runde zusammengefahren bin. Wir machten gemeinsame Sache und schüttelten ein paar Lutscher, die sich hinter uns aufgereiht hatten, aber selber nicht in den Wind wollten, ab.
Nach der Übergabe an Stefan, wiederholte sich das Spiel von der ersten Pause. Essen und Beine hoch legen. Doch ich spürte schon, dass drei Stunden nicht genügten, um jedesmal wieder fit zu werden. Die Videos der Wechsel stellten das schon eindrücklich dar.



Nachtschicht ist Doppelschicht:

Um allen eine längere Ruhepause zu verschaffen, hatten wir beschlossen in der Nacht Doppelrunden zu fahren. Ich durfte als erster in die Doppelschicht. Mit jeder Runde und voran geschrittener Zeit wurden die Beine schwerer. Eigentlich wollte ich mich nach Runde drei schon etwas länger ausruhen als nur für die drei kurzen Stunden, aber der Plan stand und ich hatte mich als erster für die erste Nachtschicht beworben.

Nachdem das Tracking bei Frank auf den letzten Metern wieder ausgefallen war, hatte ich den Wechsel verpasst. Ich wollte mir gerade den Helm aufsetzen, da stand Frank schon am Wohnmobil. Ich beeilte mich und machte mich mit schweren Beinen auf Runde 4. Mit Scheinwerfer bewaffnet ging es bei Dunkelheit die Strecke entlang. Die Fuchsröhre und ein par andere Punkte waren gut ausgeleuchtet, was eine tolle Atmosphäre gab. Der Anstieg wurde zäh und zäher. Bei diesen Steigungsgraden kann man irgendwann nicht ruhiger machen, weil man sonst umfällt und der Puls ist bei der kleinsten Übersetzung mit gerade mal 50 Kurbelumdrehungen trotzdem bei 160. Nur eines wollte ich nicht: an der hohen Acht absteigen.

Es war die pure Quälerei, diesen dämlichen gerade mal 400 Meter langen Anstieg mit 11 Prozent Steigung im Durchschnitt zu bezwingen. Selbst die, die letzten Meter zu Fuß gingen schnauften mächtig. Der Rest der Runde war okay. Nur konnte man wegen fehlender Kraft auf den Abfahrten nicht mehr genügend Schwung holen, um auch die Anstiege wieder hoch zu rollen. Also immer wieder auf das kleinste Ritzel schalten und langsam hoch kurbeln. Im Fahrerlager wechselte ich dann meine Flasche gegen eine vorher bereit gestellte und schnaufte nochmal kräftig durch. Keiner von unserem Team war zu sehen.

Nach 51, 48, 50 und jetzt 55 Minuten für je eine Runde, wird die nächste wohl die schlimmste. Es blieb mir nur zu hoffen, das es nach meiner, darauf folgenden, langen Pause wieder besser wurde. Bei so ziemlich jedem Anstieg musste ich das kleinste Ritzel nehmen. Zuerst um mich zu schonen. Und nachdem ich an der Hohen Acht in Schlängellinien auf der fast 20 Meter breiten Straße fuhr, ging es auch gar nicht mehr anders. Im Fahrerlager fuhr ich sogar den letzten Anstieg mit dem kleinsten Ritzel mit etwa zehn km/h. Stefan stand schon bereit und war auch nicht mehr der Frischste. Ich sagte ihm nur, dass er locker machen solle und im Zweifelsfall auch eine Runde genügen würde. Ich für meinen Teil war total platt. Für die zweite der Doppelrunde brauchte ich 62 Minuten.

Fahrerlager bei Nacht:

Ich nahm mir fast alles an Süßigkeiten, was ich mir bereit gestellt hatte, und meine Duschsachen. Auf dem Weg zur Dusche aß ich zwei Scheiben Toast mit Marmelade und zwei Donuts und trank eine halbe Flasche Iso. Nach dem Duschen ging es zum Catering. Dort gab es nochmal zwei belegte Brötchen, zwei Stück Kuchen und einen heißen Kakao. So einigermaßeng ge- und verpflegt ging ich zum Fahrerlager zurück. Der Rundenticker verriet, dass Stefan bald zurück sein würde. Auch er war total fertig und leierte mit Mühen den letzten Anstieg hinauf. Eine zweite Runde ginge nicht mehr, meinte er. Ich schlich mich ins Womo. Basti und Frank hatten nur einen leichten Schlaf und so sagte ich Bescheid, dass im Moment niemand fuhr. Da Bastis Schicht eh bald begann, machte er sich mit viel Elan und fest entschlossen auf, seine Doppelrunden zu drehen. Ich habe nichts davon mitbekommen und im Womo gepennt.




Morgenstund und so:

Ich wachte 10 Minuten vor dem Wecker auf, der meine Schicht einläuten sollte. Basti lag draußen auf einem Liegestuhl im Schlafsack. Ich schaute auf das Livetracking und stellte fest, dass auch Basti seine Doppelrunde durchgezogen hatte. Die Zweite sogar schneller als die Erste. Frank war unterwegs und hatte auch schon die hohe Acht passiert. Also hieß es auch für mich wieder klar machen zum nächsten Start, da ich befürchtete, dass Frank, der am Vorabend über Schmerzen im Rücken klagte, vielleicht gleich wechseln wollte.

Gesagt, getan. Auf der Strecke waren die Beine zwar nicht taufrisch, aber der Schlaf hatte gut geholfen. Ich fuhr die Runde locker an. Den Anstieg fuhr ich zusammen mit anderen Leuten nach oben, die ich in den ersten drei Runden noch überholt hätte. Zurück im Lager war auch Stefan dann wieder startklar und drehte eine Runde. Auch Basti war wieder wach. Nur Frank meinte, dass er wegen seines Rücken wohl heute nicht mehr fahren könne. Es stand wieder Regeneration auf dem Plan. Es gab wieder Reis, diesesmal eben zum Frühstück. Dazu frischen Instandkaffee. Ich fühlte mich soweit fit, um die letzte Runde für Frank zu fahren, während die anderen unsere Parzelle aufräumen wollten. Stefan beendete seine Runde Nummer 5 und übergab nochmal an Basti, der in seine sechste Runde startete. Es sah so aus, dass wir kurz nach 12 Uhr über die Ziellinie rollen könnten.

Letzter Wechsel 11:09:

Da dies definitiv die letzte Runde war, wollte ich alles ganz locker fahren und maximal genießen. In der Fuchsröhre kam ich dann ohne auch nur einmal zu treten auf 85 km/h. Da noch eine weitere Senke kam, wollte ich die Chance nutzen und wartete bis dahin. Bei circa 150 Kurbelumdrehungen je Minute gelang es mir dann nochmal, meine Spitzengeschwindigkeit auf 94,6 km/h zu erhöhen.  

Den Rest der Runde bin ich dann wirklich ganz locker gefahren. Gefühlt waren eh alle Fahrer auf der Strecke beim Quatschen und Ausrollen. Nur ganz wenige fuhren noch mit Kraft. Die hohe Acht hinauf wurde es nochmal anstrengend, aber zur Döttinger Höhe fand ich wie so oft ein paar Leute, die sich mit mir den Wind teilten. Und so rollte ich nach 23 Stunden und 37 Minuten über die Ziellinie. An den Seiten standen viele Teams Spalier, die auf ihre letzten Fahrer warteten, um gemeinsam durchs Ziel zu fahren. Hinter der Ziellinie gab es dann die Medaillen. Da ich die Runde auf dem GP Kurs nicht mehr drehen musste, suchte ich mir einen Weg quer durchs Gelände, um gleich noch den Transponder abzugeben. An unserer Parzelle angekommen durfte ich erst einmal Medaillen verteilen und wir machten gleich noch ein Nachherfoto, ohne Kienle. Unsere Sachen waren schon fast vollständig verpackt und so konnte ich in Ruhe duschen gehen.